Kurz gefasst

Eine Meinung ist ein zeitlich punktuelles Abbild einer winzigen individuellen Weltsicht, die emotional und kognitiv extrem verzerrt wurde und sich jeder Überprüfung entzieht. Beruht eine Aussage auf fundierte, nachprüfbare Expertise, so handelt es sich um Wissen, in aller Regel das eines Experten.

Hinweis: 

Intelligente Menschen wissen das und beurteilen andere Menschen nach dem nachprüfbaren Informationsgehalt ihrer Aussagen.

Wissen

Aussagen, die auf nachprüfbare Fakten, Theorien oder Regeln beruhen und die durch ein hohes Maß an Erfahrungen und Bildung erworben wurden, versteht man als Wissen. Man kann hier von einem größtmöglichen Grad von Gültigkeit und Wahrheit ausgehen.

Gefühl/Geschmack

Ein persönliches Gefühl oder ein Geschmack, wie z.B. „mir ist kalt“ oder „ich mag weiße Blumen“, ist eine Aussage, die nur schwer bewiesen werden kann aber auch keinen Beweis benötigt. Sie erhebt keinen Anspruch auf Richtigkeit oder Wissenstransfer.

Glauben

Von Glauben spricht man, wenn jemand eine Aussage für wahr hält, ihre Wahrheit also subjektiv als gesichert erscheint, obwohl der Glaubende keine objektiv zureichende Begründung dafür angeben kann.

Meinung

Eine Meinung eines Einzelnen ist eine persönliche, nicht beweisbare Beurteilung, Wertung, Sichtweise oder Aussage. Sie ist immer voreingenommen und unterliegt unbewussten, kognitiven Verzerrungen.

In Wikipedia findet man eine Liste von ca. 30 Einträgen, die sicher noch nicht alle Verzerrungen berücksichtigt.

Darunter befinden sich so fatale Zerrbilder wie:

• Die Neigung, Informationen so auszuwählen und zu interpretieren, dass sie die eigenen Erwartungen erfüllen.
• Die Tendenz, sich für unbeeinflusst zu halten.
• Die Tendenz inkompetenter Menschen, das eigene Können zu überschätzen und die Kompetenz anderer zu unterschätzen.
• Die Neigung, eine empfundene Emotion als Beweis für eine Annahme zu betrachten.
• Eine zufällige Häufung von Erfolgen im Sport und Glücksspiel wird als „einen Lauf haben“ oder als „Glückssträhne“ angesehen.
• Die falsche Annahme, zufällige Ereignisse durch eigenes Verhalten kontrollieren zu können.
• Tendenz der Bevorzugung des Status quo gegenüber Veränderungen.
• Die Überschätzung des eigenen Könnens und eigener Kompetenzen.
• Verzerrungen, die der Aufrechterhaltung eines positiven konsistenten Selbstbildes dienen.
• Die Tendenz, Verluste höher zu gewichten als Gewinne.

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_kognitiven_Verzerrungen

Auf welcher Grundlage bildet sich Meinung?

Schon im Mutterleib entstehen im Gehirn neue Verbindungen zwischen den Neuronen durch Geräusche, Helligkeitswahrnehmungen, Bewegungseindrücke. Nach der Geburt kommen Gesichts- und Objekterkennungen (bottom-up learning, implizit zu explizit) sowie Erfahrungen durch Interaktion zwischen Personen, Objekten und Umwelt dazu (top-down learning, explizit zu implizit). Verbindungen werden stärker und schneller ausgelegt, wenn sie unter einer starken emotionalen Stimulation entstanden sind oder sich häufig wiederholen.

Das individuelle Abbild der Welt eines Menschen ist eine über neuronale Gewichtungen, Verbindungen (Synapsen) und Ausprägung der Verbindungswege (Engramme) gespeicherte Informationsmenge. Sie befindet sich vorwiegend im Neocortex und besteht aus den persönlichen Erinnerungen und Erfahrungen gewichtet durch Emotionen und Repetition. Es beinhaltet nur ein winziges Bruchstück über die reale Welt und sie sind entsprechend des Hormoncocktails zum Zeitpunkt der Informationsaufnahme emotional verzerrt. Das liegt an der Art der Aufnahme von Informationen im Gehirn. Sie wird überwiegend durch einen sensorischen Reiz (Sinne) gestartet, über ein individuelles Erkennungssystem gefiltert und falls nützlich durchgelassen und emotional verstärkt. Dadurch entstehen marginale Änderungen der neuronalen Gewichtungen, Verbindungen und Verbindungswege.

Wird z.B. bei einer Diskussion über einen audiovisuellen Reiz (Ohren, Augen) eine Erinnerung zu einem Thema ausgelöst, so werden elektrochemische Impulse ausgesendet, die über die vorhandene Struktur zu einem Gedankenmuster geformt werden, in den präfrontalen Kortex gelangen und von dort aus zur Sprachausgabe geleitet werden. Diese Durchleitung ohne intensive Nachbearbeitung nennt man das System 1 (Daniel Kahneman / Amos Tversky), es ist sehr schnell und benötigt sehr wenig Energie. Großer Nachteil von Aussagen, die dem System 1 entstammen, ist ein verfälschter (siehe kognitive Verzerrung) und sehr geringer Informationsgehalt. Besonders Entscheidungen, die darüber gefällt werden, zeichnen sich durch eine hohe Fehlerquote aus.

Glücklicherweise verfügt unsere Spezies noch über einen zusätzlichen Bereich, dem System 2 das in der Lage ist, Gedanken im präfrontalen Kortex aufzunehmen, weitere Informationen dazu abzurufen und gegeneinander zu bewerten (dabei erweitern sich übrigens die Pupillen). Durch Nutzung dieses Bereiches werden Entscheidungen signifikant besser. Das System 2 arbeitet jedoch wesentlich langsamer und verbraucht deutlich mehr Energie als das System 1. Da Energie die zentrale Grundlage für unsere Existenz ist, versuchen wir jeglichen Aufwand zu vermeiden. Das System 2 muss genau wie eine Muskel trainiert werden. Vielen Menschen fällt es schwer, ihrer Muskulatur regelmäßigen Anstrengungen zur Fitness zu unterziehen. Noch schwerer fällt es untrainierten Menschen die Energie aufzuwenden, das System 2 zu verbessern. Dazu könnte man im Internet kostenlos tausende von Fortbildungen (Micro Degree) belegen, Sprachen lernen oder ein Musikinstrument. Das gelingt jedoch nur wenigen Menschen, weil dieser Energieaufwand ein unkomfortables Gefühl verursacht (Pendant zu Seitenstiche beim Joggen).

Hinweis:

Bei permanentem Training des System 2 werden kleine Mengen von Belohnungsstoffen ausgeschüttet und das führt zu einer angenehmen Sucht ohne negative Nebenwirkungen. Die positiven Nebenwirkungen sind mehr Wissen, mehr Fähigkeiten, bessere Lebensentscheidungen. Auch passive Aktivitäten wie Social-Media Konsum oder Videostreaming schütten anfangs größere Mengen an Belohnungsstoffe aus, doch der Körper gewöhnt sich schnell daran und verlangt mehr. Das System 2 verödet dabei, die Lebensentscheidungen verschlechtern sich weiter, das körperliche Wohlbefinden schwindet und wichtige Lebenszeit geht unwiederbringlich verloren.

Die Belohnung von passivem Konsum zu aktivem Wissensaufbau könnte man vergleichen mit dem Verhältnis von einem Feuerwerk (kurzeitig beeindruckend, schnell erloschen) zu einem Kaminfeuer (spendet sehr lange wohlige Wärme).

Wann wird Meinung zu Wissen?

Es besteht erfreulicherweise die Möglichkeit, dem schnellen System 1 zu viel mehr Informationsgehalt zu verhelfen. Dazu muss jedoch zunächst mit Hilfe des System 2 spezialisiertes Wissen angereichert werden, das kostet zunächst viel Energie (10000 Stunden sind eine häufig erwähnter Zeitraum, der nötig ist, dieses Spezial Wissen für das System 1 bereitzustellen, hängt natürlich von dem Thema ab, geht aber in die richtige Richtung).

Wie kann man den Informationsgehalt einer Aussage beurteilen?

Dazu benötigt man nicht unbedingt mathematische Kenntnisse aus der Informationstheorie, mit der man die sogenannte Entropie ermitteln kann. In den meisten Fällen reicht es, wenn man sich überlegt, wie seine eigene Aussage oder die des Gegenüber mit Fakten belegt werden kann. In Zeiten vom Internet sollte man sich die Fertigkeit aneignen, seriöse Quellen für Informationen zur Verfügung zu haben (dazu später mehr). Sensibilisiert man sich in diese Richtung, wird man sich intellektuell weiter entwickeln und mit seinen Entscheidungen verbessert sich auch die eigene Lebensqualität.